... und auch ein wenig Bonifatius, Burkard sowie karolingische
Legendenbildung
Im Anfang der lebendig werdenden Stadtgeschichte Würzburgs steht die Christianisierung von Stadt und Region und natürlich die
Legende eines berühmten Martyriums. Es ist eine für das frühe Mittelalter typische Geschichte der Legendenbildung und
Heiligenverehrung. Hier am Main handelt Sie vom edlen und selbstlosen Wirken einer kleinen Gruppe irischer Missionare und der
abstossenden, heidnischen Rache eines Weibes. Es handelt sich somit nicht in diesem eigentlichen Sinne um wirklich historische
Persönlichkeiten (es gab jedoch die historischen Vorbilder gleichen Namens); erst ein späterer Mythos hat es sie werden lassen. - Dies hier
ist also die Legende von den Frankenaposteln in der Version von Mein-Wuerzburg.com:
"Kilian, mit seinen Begleitern Kolonat und Totnan, kam im Jahre des Herrn 686 in das Reich und an den Hof des Herzogs Gosbert zu
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Würzburg, wo er das Evangelium verkündete und die Kinder des Herrn taufte. Auch Gosbert, welcher nach dem Tod seines Bruders dessen
Weib Gailana zur Frau genommen hatte, liess sich taufen und hörte das Wort des Herrn gern. Die Fürstin jedoch geriet darüber in grossen
Zorn, weil Kilian dem Landesherrn dazu riet, seinem Weibe fortan nicht mehr beizuwohnen und ihn gar aufforderte, es zu verstossen, da die
Schwagerehe als zutiefst unsittlich anzusehen sei, wie es bereits Johannes d. Täufer gelehrt habe.
Als nun Gosbert in einer dringenden Kriegsangelegenheit fern seines Hofes weilte, fielen Kilian und seine Gefährten der Rachsucht des
verstossenen Weibes Gailana anheim, in dem diese sie auf das Heimtückischste durch gedungene Häscher im Jahre des Herrn 689 meucheln
ließ. Noch im Angesicht des sicheren Todes beteten die Diener des Herrn mit der Bibel in der Hand und nahmen das Martyrium gottergeben
entgegen. Ihre sterblichen Überreste verscharrte man im Pferdestall der Herzogsburg, den die Pferde des Fürsten jedoch fortan scheuten.
Die Mörder aber bereuten und gestanden dem heimgekehrten Gosbert ihre Tat. Sie und auch die verstossene Fürstin Gailana fielen dem
Wahnsinn anheim und starben von eigener Hand."
Soweit die Geschichte der 3 Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan. - Gosbert war übrigens der Vater von Hetan II., mit dessen
Schenkungsurkunde im Jahr 704 n. Chr. die Stadtgeschichte Würzburgs gewissermassen auch offiziell beginnen durfte. Es heisst
außerdem, dass jener Gosbert dem Christentum zeitlebens zwar treu geblieben sei, ... dieses Leben jedoch anschliessend nicht mehr allzu
lange währte. Angestiftet von damals noch heidnischen Sachsen soll er von seiner eigenen Leibwache ermordet worden sein. Sein Sohn und
Erbe ging mit der ersten urkundlichen Erwähnung Würzburgs zwar in die Stadtgeschichte ein, wurde mit den seinen aber gewaltsam aus der
Stadt vertrieben. - Und um es gleich vorweg zu nehmen: In der dramatischen Geschichte steckt sehr viel und wahrscheinlich sehr bewusst
inszenierte Erfindung, denn es existiert nicht der geringste Hinweis, dass sich im Nachgang des berichteten Martyriums ein Kult dazu
entwickelt hätte, wie es zur Überlieferung eines entsprechenden Wahrheitsgehaltes eigentlich hätte sein sollen.
Das Ganze scheint eine Legendenschöpfung aus karolingischer Zeit zu sein. - Der später tatsächlich in den ostfränkischen Gebieten
wirkende und von der britischen Hauptinsel stammende Missionsbischof Bonifatius - eigentlich Wynfreth - gründete einige Jahrzehnte
später neben weiteren Bistümern und im Rahmen des Ordnens der kirchlichen Organisation im Frankenreich sowie im Herzogtum Bayern
742 n. Chr. das Bistum Würzburg. Als ersten Bischof setzte er Burkard ein, einen Angelsachsen vornehmer Herkunft und
Benediktinermönch wie er selbst. Burkard nimmt im Rahmen einer Randnotiz auch Bedeutung in der Geschichte des Frankenreiches selbst
ein, da er jener Delegation angehörte, die für Pippin den Jüngeren (Vater Karls d. Großen) bei Papst Zacharias die Anerkennung des
Karolingers als König erwirkte. In Würzburg griff er sogleich zur Legitimation und Stärkung der Bedeutung des Ortes die Geschichte Kilians
und seiner Begleiter auf, in dem er zur Verehrung die Gebeine der Märtyrer bereits 742 exhumieren ließ. Am Ort der Fundstelle
(befand sich der Hof von Gosbert in der rechtsmainischen Siedlung? Eher nicht.) wurde anschliessend die erste Domkirche (wohl noch
überwiegend aus Holz), der sogenannte Salvatordom errichtet und befindet sich heute das Neumünsterstift. Die Erhebung in den Stand von
zunächst Diözesanheiligen erfolgte am 08. Juli 752. Wallfahrten zu den Heiligen setzten ein.
Der Kilianskult mit der zugehörigen Legende verbreitete sich schnell und nachhaltig während des 9. und 10. Jahrhunderts.
Nachgerade sogar bis in die irische Heimat der 3 Mönche. Ziel muss es gewesen sein, die Rechtsordnung von Kirche und Bistum zu stärken
sowie gerade auch die Anstössigkeit der sogenannten Schwagerehe zu betonen, welche dem alten Glauben und zuvor auch den Römern zur
Versorgung der Hinterbliebenen eine Selbstverständlichkeit gewesen ist, den die Karolinger jedoch ausdrücklich ablehnten. Darüber hinaus
hatten diese - vorsichtig ausgedrückt - keine Schwierigkeiten damit, der Geschichtsschreibung auch einmal ihre eigene, karolingische Sicht
der Dinge zu verordnen. Damit befanden sie sich seit den alten Ägyptern in durch die Geschichte häufiger auftretenden Gesellschaft.
Von daher tut man gut daran, die Legende der Frankenapostel am Beginn unserer Stadtgeschichte weniger als Tatsache ansehen, sondern
als das, was sie tatsächlich ist und wofür sie wahrscheinlich sogar gebildet wurde, nämlich als Auftakt zu einer ganz außerordentlichen
urbanen Entwicklungsgeschichte.
Der Bischof Burkard ist übrigens auch der Gründer des nach ihm benannten Klosters am Fuß des Marienberges, das zunächst Andreaskloster
hiess und welches im Rahmen Ihres Besuchs in Würzburg unbedingt Ihre Beachtung verdient.
Die Gebeine der 3 Frankenapostel ruhen heute bis auf die Schädel in einem Reliquienschrein in der Krypta der Neumünsterkirche, letztere
befinden sich in einem weiteren Schrein im Altar des Kiliandomes, welcher einmal im Jahr im Juli ausgestellt wird. Auf Prozessionen und
weitere römisch-katholische Riten im Kontext der Reliquien wollen wir hier nicht eingehen.
Bei der Überführung in die fertig gestellte Domkirche war im Jahr 788 Karl d. Große höchstpersönlich anwesend, der ein Förderer
des jungen Bistums gewesen ist. Als Reisekönig war er zumeist hoch zu Ross unterwegs. Man darf vermuten, dass er den Abstecher nach
Würzburg als besonders angenehm empfunden haben wird, denn diese Reise wurde samt Gefolge mit dem Schiff auf dem Main
unternommen.
Auch dies ein Beleg für den Erfolg und die Bedeutung der Legende. Hier gingen die eindeutigen Interessen von Welt- und Geistlichkeit im
frühen Mittelalter noch Hand in Hand. In späterer Zeit war dies bekanntermaßen mitnichten immer der Fall.
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Gosbert, Gailana & die Frankenapostel