Uraltes Viertel wie ein Dorf mitten in der Stadt
"Die Pleich" schliesst als Stadtviertel im Nordwesten direkt an die Altstadt an. Die Würzburger unterscheiden hierbei die "Innere
Pleich" im Rahmen des erweiterten "Bischofhutes" - unter diesem Namen beschreibt man die Begrenzungen des mittelalterlichen
Würzburg; der erweiterte Bischofshut schliesst mehr oder weniger die nördlichen Gebiete innerhalb der letzten Befestigung mit ein -
inkl. seinen engen Mittelaltergässchen und die "Äussere Pleich", welche jenseits des Ringparks folgt und daher erst in den Jahren nach
der Entfestigung entstand.
Zunächst die "Innere Pleich" - Dieser Ort ist als Siedlungsplatz älter als Würzburg selbst, denn er liegt am Main auf der Höhe der
einstigen Furt, welche alte Kulturen von den Bandkeramikern bis zu den Glockenbecherleuten als geeignet für ihre Niederlassungen
fanden. Und obwohl ausserhalb der mittelalterlichen Stadtmauer gelegen ist das spätere Viertel der Pleich bereits ab dem 12.
Jahrhundert rasch angewachsen. Der Name leitet sich von dem Bach "Pleichach" ab, der aus den hügeligen Waldgebieten von Norden
her die Stadt erreicht und in etwa dort in den Main mündet, wo auch der nördliche Ringpark auf diesen trifft. Dieses Gewässer wird auch
der Grund dafür gewesen sein, dass sich zum hohen Mittelalter hin zahlreiche Handwerker in der Pleich niedergelassen haben.
Überliefert sind v.a. Gerber (brauchen viel Wasser und gingen ihrem Handwerk aufgrund der Gerüche traditionell in den Randgebieten
nach), Metzger und z.B. auch Töpfer. Es ist das vielleicht einzige Viertel der Stadt, das eine ganz eigenständige
'Dorfatmosphäre' entwickelt. Dieser Eindruck entsteht durch die engen, zusammengehörigen Mittelaltergässchen, die sich um die
'Dorfkirche St. Gertraud' mit dem dazugehörigen Platz herum gruppieren. Und genau so ist es wohl früher auch gewesen, die Pleich
hatte ihr eigenes, soziales Leben.
Bei der Erkundung des kleinen Viertels unbedingt zu beachten ist das sogenannte "Pleicher Handwerkerhaus" in der
Pleicherkirchgasse 16. Der verputze Fachwerkbau gilt als das älteste erhaltene Bürgerhaus der Stadt. - Heute finden wir dort u.a. die
Räume des "Verschönerungsvereins", dessen Name freilich auf seine ursprüngliche Funktion im 19. Jhdt. zurückgeht, als es nach der
Entfestigung eben um ein Engagement zur Stadtverschönerung ging. Die Mitglieder unserer Tage bemühen sich um den Erhalt und die
Pflege von Kunst, Kultur und Geschichte in Würzburg. Gelegentlich und nicht selten zu Recht auch in Opposition zur modernen
Stadtentwicklung.
Die Pfarrkirche St. Gertraud ist bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhundert durch den damaligen Stadtbaumeister Enzelin (z.B.
erste Steinbrücke über den Main) erbaut worden. Hochgotische Umbauten zur Mitte des 13. Jahrhunderts und solche zur Echterzeit
geben ihr das heutige Erscheinungsbild. Die Kirche ist der Hl. Gertraud (eine Äbtissin des 7. Jhdts) geweiht, welche häufiger als
Schutzpatronin von Kranken, Witwen und Pilgern fungiert.
TIPP: Der Schelmenkeller in der Pleicherschulgasse 6 ist eine Gastwirtschaft, in der es sich etwas abseits der üblichen Touristenpfade
in sehr ansprechender Atmosphäre gut einkehren lässt. Angeboten wird eine ausgesucht fränkische Küche und für den sonstigen
Geschmack natürlich auch international gängige Speisen.
Der wunderbare Barockbau mit Rundbogen, Gliedersteinen, Hausmadonna und Pultdach inkl. Dachgauben stammt aus der Neumann
Zeit ca. Mitte des 18. Jahrhunderts.
Nun zur "Äusseren Pleich" - Es handelt sich um den Stadtbereich, der sich im Westen an den Bahnhof und nördlich hinter dem
Ringpark anschliesst. Natürlich begrenzt wird das Viertel im ungefähren ausserdem durch die berühmte Weinlage 'Am Stein' nach
Norden hin und durch den guten alten Main im Westen. Der Name ist als Bezeichnung kein wirklich historisches Gewächs, sondern hat
sich in der Fortsetzung zur Pleich angeboten, als das Viertel nach der Entfestigung ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand.
Die Bebauung folgt - abgesehen von den Anlagen am 'Alten Hafen' - ganz überwiegend dem Stil der Gründerzeit-Architektur mit im
Gegensatz zur Altstadt hochgeschossig aufragenden Gebäuden (in der Regel 4 Geschosse + 1 Dachgeschoss), welche auf diese Weise
viel Nutzraum zur Verfügung stellen.
Das hübsch-hässliche Heizkraftwerk - mitten in der Stadt eine echte Sünde der Neu-Neuzeit - und der eindrucksvolle, aus dem 19.
Jahrhundert stammende Gebäudekomplex des "Alten Hafens" mit seinem eigenen Hafenbecken grenzen das Mainufer ab. Bei
letzterem handelte es sich zunächst um einen Platz hauptsächlich zum Umschlag von Bauholz und Getreide (Speichergebäude), der sich
aufgrund verschiedener Umstände (Viehhof und v.a. Hauptzollamt in der Nachbarschaft) und Wachstum der Stadt rasch zum
ausgewachsenen Handelshafen weiter entwickelte. Platzprobleme - historisch typisch für Würzburg - waren die Folge. Bereits 1940 ging
daher ein ganzes Stück weiter flussabwärts und linksmainisch der "Neue Hafen" in Betrieb. Das Gelände des alten Hafens mit den
Speichergebäuden lag nach dem Krieg brach bis Anfang der 1990er Jahre der Nutzungswunsch der linksalternativen Kulturszene
(Autonomes Kulturzentrum Würzburg - AKW) die Stadt dazu veranlasste, selbst ein kulturelles Konzept umzusetzen. Angefangen mit
dem Umzug der Städtischen Galerie finden wir heute unter der Bezeichnung "Kulturspeicher" ein Tanztheater, das "Bockshorn" als
Kabarett- und Konzertsaal sowie die Ausstellungsräume des Verbandes der bilden Künstler an diesem Ort. Am Hafenbecken findet seit
2007 die Konzertreihe "Würzburger Hafensommer" immer Ende Juli/Anfang August statt. Auf dem ehemaligen französischen Kohleschiff
"MS Iris" und der jetzigen "ARTE NOAH" wird durch den Kunstverein Würzburg zeitgenössische Kunst ausgestellt. - Unterm Strich ist das
alles eine doch ziemlich gelungene Nutzung des Areals, von der die Menschen und die Kultur tatsächlich gleichermassen profitieren.
Weiter westlich des 'Alten Hafens' finden wir jenseits der Strasse über die Brücke-der-Deutschen-Einheit seit 1999 am Stadtrand den
modernen Kinokomplex 'Cinemaxx', der damals mehr oder weniger auch das Aus der 3 - 4 in der Stadt verteilten, herkömmlichen Kinos
besiegelte.
TIPP: Auf der Brückenseite des Cinemaxx-Kinos liegt der Zugang zu dem am Ufer vertäuten Kneipenschiff und Tanzlokal "Das Boot".
Dort lassen sich auf zwei Ebenen und dem Freideck atmosphärisch gemütliche Abende und thematische Veranstaltungen (z.B. Tango
oder Salsa bis Disko) verbringen.
TIPP: An der Veitshöchheimer Strasse gegenüber des Kinos befindet sich das einzeln stehende Gebäude aus dem frühen 20.
Jahrhundert, welches seit 1981 den "Zauberberg" als Diskothek, Club, Lounge je nachdem beherbergt. Zuvor gab es auch schon etwas,
das sich "Holzwurm" nannte. - Das Ganze hat eine sehr wechselvolle Geschichte (z.B. war es in den 1980er Jahren für einige Zeit
einmal Zentrum der Bewegung des Bhagwan und ganz in weiss gehalten mit oragenen Jüngern) und lebt jeweils immer von dem
kurzfristig positiven oder negativen Image bei der studentischen Szene. Immer jedoch ist es in der aktuellen Zeit etwas Besonderes,
das seit Jahrzehnten einfach nicht dem gefälligen Mainstream folgen will. Der kleine 'Zaubergarten' hinter dem Gebäude ist einer der
lauschigsten Biergärten der Stadt.
Den nördlichen Abschluss des Viertels bildet zum Bahnhofsareal hin das sogenannte Posthochhaus, in dem sich z.B. die Studios des
bayerischen Rundfunks befinden und auch die "Posthalle". Dabei handelt es sich um ein 1970 erbautes Verteil-Zentrum mit
sogenanntem Scheddach (typische Dachform für Industriehallen in abgetreppten Keilen, welche mit Glaseinsätzen der Beleuchtung
dienen), in dem seit 2008 schliesslich diverse Veranstaltungen und Konzerte stattfinden.
Die Pleich
Die Äussere Pleich
Die Innere Pleich
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