Eine Kirche erbaut aus Zeit, Epoche, Gottesfurcht, Kunst und Stein
Der Dom zu Würzburg ist eines der ganz grossen Zeugnisse der Romanik neben Bauwerken wie Speyer II oder etwa dem Dom zu
Mainz. Bischof Bruno, welcher den Bau 1040 begann, war ein enger Verwandter und Berater des salischen Kaisers Heinrich
III. und sogar direkter Nachfahre von Otto d. Großen. Es mag vielleicht nur dem Umstand der Gleichzeitigkeit der Errichtung des Doms
zu Speyer durch die kaiserliche Familie geschuldet sein, dass die Dimensionierung des Kiliansdomes um ein weniges geringer ausfiel.
Dennoch ist es das viertgrößte romanische Bauwerk überhaupt und das Grösste, wenn man den umbauten Raum zugrunde legt.
Ein erhabenes Denkmal aus Zeit, Epoche, Gottesfürchtigkeit, Stein und Kunst.
Der alte Salvatordom an dem Ort der heutigen Neumünsterkirche wurde den Erfordernissen des an Bedeutung zunehmenden
Bistums und der Stadt schon länger nicht mehr gerecht und war als überwiegend aus Holz errichtetes Bauwerk zudem mehrfach bei
Bränden stark in Mitleidenschaft oder auch zerstört worden. Mit St. Stephan und auch St. Burkard besass Würzburg bereits erste
Steinkirchen im Stil der neu aufgekommenen Romanik und mit dem Neubau der Domkirche würde die Stadt ein gottgefälliges Bauwerk
erhalten, das seinen Rang direkt neben denjenigen des Kaisers und des Mainzer Erzbistums, ja selbst des alten päpstlichen Petersdomes
in Rom einnehmen würde.
Im Jahr 1040 mit dem Bau der Krypta unter der Vierung und dem Ostchor begonnen, dauert es 35 Jahre bis der Kernbau
zum Abschluss kommt. Verschiedene Umbau- und Erweiterungsphasen wie beispielsweise Turmerhöhungen im Westen, Arbeiten am
Ostchor und die schliessliche Fertigstellung der Türme im Osten dauern immerhin bis 1255 an. Erst da lässt sich von der
Vollendung der Kirche sprechen. - Spätere Umbauten und Veränderungen bis in die allerjüngste Zeit (2012) hinein geben - wie
anderenorts auch - den jeweiligen Bedürfnissen und natürlich vor allem dem Zeitgeist Ausdruck. Der romanische Hauptcharakter des
Doms ist dabei jedoch mit Ausnahme von Eingestaltungen in barocker Zeit niemals verloren gegangen.
Es handelt sich bei dem Kiliansdom zu Würzburg um eine 3-schiffige Basilika in der Form eines lateinischen Kreuzes mit 4
Türmen und allein 10 Jochen im Langhaus, einer Altarvierung sowie mächtig angelegten Querhäusern mit Ostapsiden. Im
Süden schliesst sich ein großzügiger Kreuzgang an das Langhaus und der Kapitelsaal des Domstifts an das Querhaus an. Im Norden
finden wir die barocke, durch Balthasar Neumann erbaute Schönbornkapelle an das dortige Querhaus gesetzt sowie das Wohnhaus
des Domprobstes mit Sakristei und so weiter. Im Osten nimmt der über mehrere Stufen erhöhte Chor mit dem Gestühl für das
Domkapitel eine sehr erhabene Stellung und in den gesamten Kirchenraum hineinwirkende Stellung ein. Im Westen lässt sich rund um
das tiefliegende, romanische Rundbogenportal vielleicht eher von einer Westfassade als von einem Westwerk sprechen. Eine
gewisse Wehrhaftigkeit entsteht zwar durch die sehr eng zueinander gestellten Türme und die dabei überhaupt nur von wenigen
Scharten durchbrochene, sehr geschlossene Fassade, aber ein den Zugang zur Kirche verteidigendes Westwerk mit gleichzeitig durch
Kunst reich ausgestattete Portal- und Fassadengestaltung ist das nicht. Besonders auffällig ist eben durch die schmale Turmstellung das
sehr hoch Aufragende der Fassade, hinter welcher man beim ersten Anblick von der Domstrasse aus kaum eine so große Kirche
vermuten würde, die sie mit einer Länge von 105 Metern tatsächlich aber ist.
Das aktuelle Erscheinungsbild des Domes ist geprägt von 3 verschiedenen Bauereignissen:
1)
Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg. - Nachdem das nördliche Langhaus knapp ein Jahr nach dem Bombardement vom
16.03.1945 im Frühjahr '46 trotz Stützversuchen doch noch einstürzte und dabei das barocke Tonnengewölbe mit sich nahm,
dauerte der Wiederaufbau bis 1967 und wurde in einer Weise vorgenommen, der dem romanischen Urzustand möglichst nahe
kommen sollte.
2)
Äussere Umgestaltung im Jahr 2006. - An der Westfassade werden die nach dem Krieg geschlossene Rosette, die
Säulengalerie und die Uhrenöffnung der Domuhr wieder freigelegt. Außerdem erhält der Dom eine farblich abgrenzende Gestaltung
zwischen sehr hellem Putz und rötlich-braunen Gliederungselementen. Ersteres entspricht sicher nicht der romanischen Fassade, stellt
aber mehr oder weniger den Vorkriegszustand wieder her. Die Farbgebung hingegen ist eher ein Ding des aktuellen Zeitgeistes bzgl. der
(wohl weniger zutreffenden) Vorstellung historischen Aussehens.
3)
Die Neugestaltung von Innenraum und Krypta in 2011-2012. - Völlige Neuinterpretation des Innenraums mit
verschiedensten liturgischen Veränderungen und moderner Kunst- und Technikelemente wie etwas das Arrangement der
Beleuchtung. Hierbei am Auffälligsten sind im Rahmen der Umgestaltungen der in die Mitte der Vierung gezogene Altarbezirk und
die Aufstellung des bronzenen Taufbeckens (Meister Eckhard zu Worms, 1279) in der Mitte des Hauptschiffes.
Ferner kommen neben dem schon 1988 neu gestalteten Chorraum mit modern interpretierten Figuren (die alte Ausstattung ging mit
den Zerstörungen des Krieges verloren) eben solche Elemente mit allerdings schlichter Zurückhaltung im ganzen Kirchenraum hinzu.
Dies alles behindert die alte Kunst nicht, sondern bringt die Epitaphe (Grabplatten / Erinnerungsplatten) der Fürstbischöfe mit z.B.
Werken von Tilman Riemenschneider sowie auch die Kanzel aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts in besonderem Maße zur Geltung.
Das einheitlich durchdachte Gesamtkonzept der so lichten wie schlichten Weite und Größe - so muss man es einfach sagen - haben
einen Kirchenraum geschaffen, der seinesgleichen woanders erst noch wird finden müssen.
Auch die Krypta ist ganz neu erstanden. Hell und doch je nach Ort und Funktion ausgeleuchtet, gliedern sich nun sehr geschickt die
verschiedenen Räume vom Grab des Domgründers Bruno (1045 mit Einweihung der Krypta nach seinem Unfalltod hier zur Ruhe
gebettet) über die Andacht bis hin zu einer Abteilung mit modernen Kunstwerken.
Berühmt ist auch das Geläut mit seinen 12 großen Glocken, welche allerdings bis auf die Lobdeburg-Glocke aus dem 13.
Jahrhundert alle neuzeitlich sind, da die historischen Glocken den Krieg nicht überstanden haben, sie sind einfach weggeschmolzen
(darunter mit der Heinle-Glocke auch die Älteste in Deutschland / die besagte Lobdeburg-Glocke hat es auch nur überstanden, weil sie
zu jenem Zeitpunkt nicht an ihrem Platz hing). Nach dem Hinzukommen von 8 kleinen Glocken im Jahr 2008 handelt es sich nunmehr
um das größte Geläut Deutschlands, welches - computergesteuert - zu den verschiedenen Anlässen des Kirchenjahres bis zu 40
Geläute spielt.
Klangbeispiel der Glocken des Kiliandomes (© Conventus Musicus, mit freundlicher Genehmigung).
Die beiden Orgeln - eine Hauptorgel im Langhaus und eine kleinere im südlichen Querschiff - sind ebenfalls ein Werk aus der
Nachkriegszeit, wie sich anhand der tatsächlichen Zerstörungen nur unschwer vermuten lässt. Sie passen jedoch sehr gut zu der
Akustik und der in Würzburg durchaus lebhaft gepflegten Dommusik.
Klangbeispiel der großen Orgel des Kiliandomes (© Conventus Musicus, mit freundlicher Genehmigung).
Anmerkung: So sehr ich persönlich von der jüngsten Innenraum-Gestaltung beeindruckt und angetan bin, so wenig gefallen mir dabei
auch zwei Dinge. Einmal ist das die Schließung des Seitenzugangs zum Kiliansplatz, denn ich habe den Dom immer sehr gern gerade
von hier aus leise und diskret betreten. Und zum anderen ist dies die völlig unangebrachte und zudem überdimensionierte Information
bzw. Touristen-Theke im südlichen Seitenschiff, welche überdies den Zweck der Kontrolle gegen Obdachlose und ähnliches erfüllen soll,
wie mir in kritischen Gesprächen mit Menschen, die es wissen müssen, gesagt wurde. - Das gefällt mir nicht und ich schliesse mich auch
diesen Argumenten nicht an. Sage ich hier gerne deutlich.
DER BESONDERE TIPP
Für weiterführend an der Geschichte, der Kunst und auch der Kirchenkultur rund um den
Dom Interessierte ist der Film “Der Dom St-Kilian zu Würzburg - Geschichte und
Gegenwart” von Johannes Martin und Georg Stippler, © Conventus Musicus, D-97335
Dettelbach, aus dem Jahr 2004 unbedingt anzuempfehlen. Nicht nur, dass die grossartige
Ausstattung und Kunst des Doms ausführlich beschrieben, erklärt und gedeutet wird, der
Film wartet auch mit sehr interessant fotografierten Bildern und Perspektiven auf, sowie
mit zahlreichen Einblicken, die auch mit einer Domführung nicht zu sehen sind. Z.B. sind
da der Blick in das Innere des Reliqiuenschreins der Frankenapostel Kilian, Totnan &
Kolonat oder auch das Geläut mit den Glocken zu nennen. Auch der Blick in den
Dachstuhl mit vielen Bruchstücken des durch den Krieg verloren gegangenen
Langhausgewölbes ist eine Rarität. Es lohnt sich sehr.
Das Filmdokument zeigt freilich den Zustand vor der jüngsten Umgestaltung des Innenraums 2010 - 2012 und ermöglicht Ihnen auf
diese Weise sogar eine direkte vergleichende Betrachtung.
Die DVD kann hier für € 24,95 unter der Art.-Nr. CM 2081 (ISBN 3-429-02697-0) bestellt werden.
Domgeschichten: Ganz klar, dass solche Bauwerke so voller Geschichte eben auch voller Geschichten und Ereignisse sind, wie wir
gerade rund um die Kathedralen des Mittelalters hoffentlich nicht nur aus der entsprechenden Unterhaltungsliteratur wissen. In
Würzburg ist beispielsweise die Kaiserhochzeit des Friedrich Barbarossa mit Beatrix von Burgund so ein Kathedral-Ereignis, das eine
ganze Epoche überstrahlt hat. Aber es sind vielleicht eher die vielen kleinen Geschichten, die einem Ort den wirklich prägenden
Charakter verleihen.
Stellvertretend möchte ich hier eine kleine Anekdote wiedergeben, die man sich über den Fürstbischof Rudolf v. Scherenberg (im
Amt zw. 1466 - 1496) erzählt:
Rudolf war ja schon ein sehr alter Mann von 65 Jahren oder so, als er überhaupt erst in das Bischofsamt gewählt wurde. Und das
geschah auch nur deshalb, weil sich das überwiegend zerstrittene Domkapitel nicht auf einen Amtsträger einigen konnte, und man sich
aus solcherlei Gründen auf zunächst einen Übergangskandidaten festlegte. Rudolf II. v. Scherenberg eben. Dieser aber dachte gar nicht
daran, nur für eine Übergangsperiode zu regieren und blieb einfach gute 30 Jahre lang noch am Leben und im Amt, womit er wohl die
meisten der jüngeren um den Bischofsstuhl streitenden Kandidaten überlebt haben dürfte. Und nicht nur das, Rudolf entwickelte auch
regen Reformeifer und Bautätigkeiten, wovon u.a. das Scherenberg-Tor mit der damaligen Erweiterung der Befestigung auf dem
Marienberg Zeugnis ablegen. Auch reorganisierte er die immer wieder sehr klammen Finanzen des Bistums recht erfolgreich, wofür er
u.a. den Brückenzoll einführte. Mit solcherlei Maßnahmen wurden natürlich auch die Finanzen der Domherren belastetet und das kam
bei diesen Mitgliedern des Domkapitels nicht unbedingt immer gut an. - Soweit erst einmal genug der Vorgeschichte, erzählen wir
nunmehr die eigentlich versprochene Anekdote.
Vor dem Hintergrund des allgemeinen Unmuts drängte man Rudolf also unter dem Vorwand seines sehr fortgeschrittenen Alters dazu,
dass er doch schon zu Lebzeiten einen Nachfolger aus den Reihen des Domkapitels bestimmen solle, der notfalls auch für ihn
einspringen könne. 'Not amused' gab der alte Bischof schliesslich nach und verkündete, dem Kandidat seiner Wahl bei der nächsten
Kapitelversammlung seine "Birett" genannte Kopfbedeckung des Bischofs aufsetzen zu wollen. So kam es denn auch. Man nahm
Aufstellung und Rudolf musterte bis zum letzten jeden einzelnen der Domherren lange und intensiv. Schliesslich nahm er seine
Kopfbedeckung ab und sprach der Überlieferung nach dies: "Wenn es denn wahr ist, was die Leute sagen, so gibt es unter uns keinen
Würdigeren dieses Birett zu tragen als diesen!" Damit setzte er sich die Kopfbedeckung wieder auf und verliess den Kapitelsaal, welcher
bekanntlich an das südliche Querhaus des Doms angrenzt.
In welchem seiner 30 Regierungsjahre sich diese Geschichte ereignet hat, weiss ich nicht. Dem müsste man einmal näher auf den
Grund gehen. - Scherenbergs Grabplatte jedenfalls ist ein Werk Riemenschneiders und sehr berühmt, weil es zu den allerersten gehört,
die zum ausgehenden Mittelalter hin nicht mehr rein idealisierende Geschichtszüge zeigen, sondern den alten Mann sehr plastisch mit
seinen Falten und seiner Kantigkeit so darstellt, wie wir ihn uns wahrscheinlich auch nahe der Realität vorstellen dürfen. - Entdecken Sie
bei ihrem Besuch das Kiliandomes in all den Denkmälern solche Geschichten und lassen Sie vor ihrem geistigen Auge die Zeiten und
Epochen der Würzburger Jahrhunderte wieder auferstehen.
Eine kleine Auswahl weiterer Informationen zur Domgeschichte findet sich auf der Internet-Seite des Bistums.
Öffentliche Führungen durch den Dom finden in der Zeit von Osterdienstag bis Ende Oktober täglich jeweils einmal um ca. 12:30 Uhr
statt. Der Preis hierfür beträgt 3,00 Euro.
So eine Führung dauert ca. 1 Stunde und ist so ausführlich wie auch kompetent gestaltet.
Für Gruppen (Schulklassen, Reisegruppen etc.) lassen sich eigene Termine vereinbaren. Ansprechpartner hierfür ist die sogenannte
'Dominfo' am Vorplatz des Domes.
Der ‘Kiliansdom’ im Video des Altstadtrundganges
Die Stationen 2 (außen) und 14 (Innen) des Altstadtrundganges
beschäftigen sich u.a. mit der Würzburger Domkirche “St. Kilian”.
Sehen Sie hier die entsprechenden Kapitel aus dem Video des
Rundganges, das Sie sich auf Mein-Wuerzburg.com in voller Länge auch
auf der zuständigen Seite Altstadtrundgang anschauen können.
Dom St. Kilian
Kreuzgang und Kapitelsaal
Die Krypta
Der Kirchenraum
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