Aus Freude am Geschmack !
Wenn es also stimmt, dass die Liebe durch den Magen geht, dann ist das Völkchen der Franken doch ein wahrhaft Liebendes. Es muss eine
wild-romantische und sehr leidenschaftliche Liebe sein, denn die fränkische Küche ist eine sehr gehaltvolle, derbe und irgendwie öffentliche,
geradezu lebensbejahende Küche. Häufig liegen den typischen Spezialitäten witzige Entstehungs- und Namensgeschichten zugrunde. Man
findet darin das Leben sowie die Erdverbundenheit und Traditionen der Menschen abgebildet. Es scheint ausserdem auch so, dass die Franken
ein irgendwie weniger vegetarisch kochendes Volk sind, sondern eben mehr so die Genießer aus der vollen Lust am Leben.
Zum Verständnis der Stadt, ihrer Geschichte, Kunst und Traditionen gehört die Wahrnehmung und das Verstehen der regionalen Küche
unbedingt dazu. Na ja, und dann ist es ja auch nicht gerade eine Strafe, sich während eines Aufenthaltes in Würzburg ein wenig durch diese
Genüsse zu schlemmen.
Im folgenden finden Sie kein Kompendium, sondern nur eine Auswahl typisch fränkischer Spezialitäten, die an dieser Stelle zumindest eine
Nähe zu Würzburg haben. So bekannte Spezialitäten wie z.B. die Nürnberger Lebkuchen bleiben dabei einmal aussen vor, denn für ganz
Franken wäre da in der Tat ein richtig dickes Buch abzufassen.
TIPP: Diejenigen der nachfolgenden Links, welche zum 'WürzburgWiki' führen enthalten dort zumeist auch wenigstens rudimentär
beschriebene Rezepte der besprochenen Spezialitäten.
BRATWURST
Beginnen wir mit der Bratwurst, die es in ganz Franken in unzähligen lokalen Variationen und tatsächlich sehr vielen verschiedenen Rezepten
gibt. Natürlich gibt es auch andernorts Bratwursttraditionen, aber gewiss nirgendwo sonst in dieser fränkischen Vielfalt.
Die Würzburger Bratwurst ist in Größe, Umfang und Aussehen der bekannteren 'Thüringer Bratwurst' recht ähnlich, mit der sie in der Tat
historisch auch ein wenig verwandt ist. Der wichtigste Unterschied besteht in dem Anteil Frankenwein der Würzburger Wurst, weshalb sie
manchmal auch 'Winzerbratwurst' genannt wird. - Am Bratwurststand kauft man sie häufig als "Geknickte", also einmal durchgebrochen und
im Kipf (so heisst hierzulande das einfache Brötchen). Wer will, kann natürlich Ketchup hinzugeben, aber eigentlich gehört ein mittelscharfer
Senf an die Wurst. Und es ist überhaupt kein Sakrileg dazu einen Schoppen zu trinken, sondern geradezu Tradition auf z.B. den Weinfesten der
Stadt.
Die Würzburger Feuerwurst ist zwar keine historische Spezialität, sondern die Kreation eines Anbieters, aber eben ziemlich lecker und
einzig in ihrer Art sowie ausserdem ein bisschen Kult. Die schlanke, etwas bockwurstartige Bratwurst komtt pikant-würzig daher, ist bis zu
einem halben Meter lang in einem ebenfalls langen Baguette-Brötchen und mit einer auch ziemlich speziellen Zwiebelsoße verpackt. Man
bekommt sie ausschliesslich auf den Marktmessen und Festen der Stadt und Region.
Haben Sie schon einmal von der Meterwurst gehört? Das ist tatsächlich Bratwurst am laufenden Meter und gibt es in mehreren Regionen
Frankens und wohl auch in Österreich, wie meine Kurzrecherche ergab. Original ist sie aber nur aus dem kleinen, malerischen Weindorf
Sulzfeld am südlichen Maindreieck, denn dort wurde sie erfunden. Es handelt sich um eine schlanke, würzige Bratwurst mit Kräutern, wohl
auch Wein und allerlei mehr Inhaltsstoffen, die einen sehr fein prägenden Geschmackseindruck hinterlassen. Serviert wird die Meterwurst mit
ebenfalls sättigenden Beilagen wie Kartoffelsalat und/oder Kraut. Man bestellt nach Metern in den Traditionsgasthäusern "Zum Stern" und
"Ratsstuben". Die ganz Tapferen gehen dabei auf Rekordjagd, welcher aktuell bei 5,60 Meter aus dem Jahr 1999 liegt. - Vielleicht sind gerade
Sie ja der nächste Rekordhalter (in diesem Fall übernimmt der Wirt ihre Rechnung!); ich habe mich mit bisher maximal 1,5 Metern bescheiden
gezeigt.
Die Blauen Zipfel sind eine auch überregional für das Mainfränkische bekannte Spezialität. Es handelt sich dabei um kleinere, regional
typische Bratwürste, die allerdings gar nicht gebraten, sondern in einem speziellen Essig- und Weißweinsud mit allerlei Zutaten - Zwiebeln,
Lorbeer, Nelken, Wacholderbeeren etc. - gegart werden. Sehr lecker. Und um ihnen eine Vorstellung davon zu geben, dass es sich hier in
Franken um eine derbe, raue, aber auch sehr lebensfreudige Küche handelt, fordere ich Sie kurz dazu auf, den fränkischen Begriff 'Zipfel'
synonym zuzuordnen. Das hat doch was, oder?! - Meine persönlichen 'Blauen Zipfel' (die Bratwurst nimmt tatsächlich beim Garen im Sud eine
etwas bläuliche Farbe an) finde ich zumeist auf dem anderenorts in den Kapiteln 'Steinbachtal' und 'Biergärten' schon erwähnten Schützenhof.
Nicht weil ich behaupte, es seien die Besten der Stadt, sondern weil ich diese Spezialität dort erstmalig kennenlernte und ein Fan wurde.
WEITERE WURST - GESCHICHTEN
Wurst-Spezialitäten gibt es geradezu millionenfach in der Welt. Der Mensch ist von seiner Evolution eben ein Jäger (natürlich auch Sammler)
und Allesesser, der seine Nahrung nicht nur verschlang, sondern überaus kreativ verarbeitet hat (z.B. Veganer sehen das natürlich anders,
aber es ist dennoch Tatsache). Und trotz der Entwicklung industrieller Massenherstellung von Lebensmitteln und einer gerade in unserem
Europa zunehmend urbanen Lebensweise erhalten sich kulturell in vielen Regionen und eben auch insbesondere hier in Franken Traditionen
der Lebensmittelverarbeitung, die die Menschen nach wie vor sehr schätzen und verstärkt wieder bewusst wahrnehmen. In den traditionellen
Rezepten, Methoden und Darreichungen der Wurstherstellung kommt dies besonders stark zum Ausdruck; trotz all der Ketten und
Großfabrikanten haben gerade hier in Franken die eingesessenen Metzgereien mit eigener Schlachtung und Herstellung aus Tradition,
Geschichte, Rezepten und ihren ureigenen Produkten einen starken Rückhalt. - Die Vielfalt der Produkte ist riesig und kann hier natürlich als
solche nicht wiedergegeben werden. Dies ist nur ein kurzer Abriss ...
Der fränkische Presssack wird auch als 'Schwartenmagen' bezeichnet. Dicke, gewürzte Brühe mit Wein und Speckschwarte und grob
gewürfelte Stücke aus Schweinefleisch und Schweineschwarte werden dazu in einer Schweinsblase gekocht, bis das Ganze gar und zu einer
festen Masse geworden ist. Dieser 'Presssack' ist in Scheiben aufgeschnitten ein typischer Bestandteil der fränkischen Brotzeit, wie sie z.B.
auch bei umfangreicheren Weinverkostungen gereicht wird. Da wird die Brotzeit also zu einer sogenannten 'Häckerbrotzeit' (Winzer).
Ebenfalls zur Brotzeit gehört die sogenannte Würzburger rotgelegte Wurst. Vom Prinzip her eine in der Schweinsblase gekochte Blutwurst,
die dabei noch einmal mit Pökelfleisch, Schwartestücken und vorgebrühten Speckwürfen durchsetzt ist. Verstehen sie nun, was ich eingangs
mit wild-romantisch, ursprünglich und auch derb meinte? Es ist eine sehr kräftige Wurst, deren Vorteil jedoch z.B. beim Binden des Alkohols
überdeutlich wird.
Last, not least, sei hier noch die Würzburger Knäudele kurz vorgestellt. Das ist in der roten Variante eine stark gewürzte Räucher-Blutwurst
mit Schinken- und Speckwürfeln oder als weiße 'Knäudele' eine ebensolche Räucher-Leberwurst. Der Name rührt von den Verknotungen des
Schweinedarmes an den Wurstenden her, 'Knäudele' eben.
FLEISCHGERICHTE DES HOMO FRANCIGENUS
In Sachen der Fleischgerichte ist es durchaus wahrscheinlich, dass Sie einiges davon kennen werden, von dem - sofern nicht der Zusatz
'fränkisch' in der Bezeichnung genannt - man vielleicht nicht wusste, dass es originär aus Franken stammt.
Angefangen mit der Schlachtschüssel. Da kennen die Franken ja wirklich nichts; mit der Schlachtung werden alle möglichen Produkte dieses
Vorgangs zum allgemeinen Festmahl. Das kennt man historisch auch aus vielen anderen Gebieten und Traditionen, aber daraus eine
regelrechte Essenskultur mit einem festen Platz auf den Speiseplänen z.B. der Gasthäuser in Stadt und Region ist doch recht speziell.
Typische Bestandteile einer solchen Schlachtschüssel sind z.B. die schon besprochenen 'Knäudele', das 'Kesselfleisch', der
sogenannte 'Schwaaß' (gebackenes Blut), natürlich verschiedene 'Schnickerli' (Innereien) sowie gegebenenfalls auch weitere, weniger
exotische Teile aus der Schweineschlachtung. All das kommt zusammen auf den Tisch, je nachdem ob es sich um eine einzelne Platte oder um
ein Mehrgänge-Festgericht handelt.
Serviert wird traditionell auf länglichen Holzplatten. Dazu gibt es schwarzes Brot, Kraut und 'Kren', wobei es sich um den fränkisch
zubereiteten Meerrettich handelt. Als Getränk sollte man zur 'Schlachtschüssel' unbedingt einen trockenen Weißen wählen, denn hier ist es
jetzt geradezu umgekehrt, und es ist der Alkohol, der nun die verschiedensten Dinge zu binden hat. Bier wäre da einfach selbst zu gehaltvoll.
Auch das Kesselfleisch ist sehr bekannt und ein typisch althergebrachtes Einfache-Leute-Essen. Es wird auch 'Wellfleisch' oder fränkisch
'Spint', 'Schipf' oder 'Schüpf' genannt, allerdings habe ich diese Begriffe nie irgendwo angewendet gehört. Das traditionelle Kochen von Bauch-
und Kopffleisch, von Zunge, Herz, Leber, Nieren etc. gehörte in einigen Regionen zur Schlachtung typischerweise dazu, ist jedoch heute
zumeist aus diesen Traditionen verschwunden. Nicht so in Franken. Grosse Kesselfleischessen sind z.B. noch immer fester und wichtiger
Bestandteil vieler Feste der Region und sowieso unabdingbar für jede echte 'Schlachtschüssel'.
Ganz sicher kennen Sie den Fränkischen Sauerbraten, bei dem es sich um eine Sauerbratenvariante mit den typisch fränkischen Merkmalen
wie etwa große Kartoffelklöße, Blaukraut bzw. Rotkohl und natürlich eine im Geschmack intensive Weinsoße handelt. Es gibt die
verschiedensten Rezepte, und so ein Sauerbraten fehlt natürlich auf keiner Speisekarte für fränkische Gerichte.
Der Braten als solcher ist aber auch generell ein großes Thema in der fränkischen Küche. Da wäre z.B. der Würzburger Kärrnerbraten zu
nennen, wobei es sich um eine mit Weißbrot, Gewürzen und Bratwurst gefüllte Rinderbrust handelt. An anderer Stelle ist auf mein-
wuerzburg.com schon zu lesen gewesen, dass es sich bei 'Kärrnern' eigentlich um Fuhrmänner handelt, ... hier in Würzburg jedoch auch
diejenigen Männer so bezeichnet wurden, die die Antriebsräder des 'Alten Kranen' am Mainkai bewegt haben. Das war sehr schwere Arbeit, für
die man viel Kraft und Ausdauer benötigte. Nur Recht und billig, dass diese Männer auch ein besonderes Essen bekamen, sowohl lecker als
auch überaus nahrhaft und kräftigend.
Ein sehr typischer Braten, der in Bürger- oder Handwerksfamilien gerne auch einmal die Rolle des Sonntagsbraten übernahm, ist das
Fränkische Schäufela. Dabei handelt es sich um eine kräftig u.a. mit Kümmel gewürzte Schweineschulter mit Schwarte, die erst angebraten
und dann im Ofen mit einer starken Biersoße gebacken wird, deren Geheimnisse u.a. Wurzelgemüse etc. beinhalten. Dazu gibt es natürlich -
wie könnte es anders sein - wieder einen ordentlichen fränkischen Kartoffelkloß und Blaukraut.
Weitere typische Braten wären z.B. das ‘Knöchle’, wobei es sich um eine fränkisch veredelte Spielart der Schweinshaxe handelt, das
‘Krenfleisch’ (als typisches Festagsessen in Franken zu Hochzeiten oder der Kirchweih) oder auch die ‘eingelegte Lende mit Stöpferle’.
Diese Stöpferle sind dabei der fränkische Ableger der sogenannten 'Schupfnudeln'.
FISCHIGES
Fleisch, klar! Aber spezielle Fisch-Spezialitäten und Würzburg? - Auch ein eindeutiges JA! Die Stadt am Fluss besitzt eine uralte
Fischertradition, die ihren Ausdruck in der mit 1000jähriger Geschichte wohl ältesten Zunft Deutschlands findet. Und so gehen damit auch alte
Spezialitäten einher, die z.B. fest mit den Marktmessen der Stadt und anderen Traditionen verbunden sind. Im Vorfeld vielleicht nicht erwartet,
gehören zur kulinarischen Erkundung Würzburgs zumindest einige sehr markante Fischspezialitäten unbedingt dazu.
Am bekanntesten ist wahrscheinlich der sogenannte Steckerlfisch. Das ist eine mit spezieller Marinade eingeriebene Makrele, die der Länge
nach auf einem Weidenstock aufgespießt über einer offen auf dem Boden verteilten Holzkohlenglut in die Erde gesteckt und gegrillt wird. So
ist der Name also selbsterklärend. Kein größeres Traditionsfest im Raum Würzburg könnte ein Erfolg ohne 'Steckerlfisch' sein, das geht gar
nicht. - Am Grill - wenn man das so nennen kann - bekommt man den Fisch in Zeitungspapier eingewickelt. Dazu gibt's dann Kartoffelsalat,
Besteck und frisches Bier.
Auch die Meefischli sind etwas, das sie weltweit wohl nur in Würzburg und sehr naher Umgebung bekommen können. Uralt und sehr, sehr
traditionell. Es handelt sich um ausschliesslich aus dem Main stammende Lauben, Rotfedern oder Rotaugen. Das sind sogenannte Kleinfische
(ca. 8 - 12 cm). Geschuppt und ausgenommen, mit Zitronensaft eingerieben, Gewürzen sowie Semmelbröseln behandelt werden sie möglichst
fangfrisch gebacken, um anschliessend ohne Teller und Besteck im Ganzen verzehrt zu werden. Knusprig und lecker. - Als Tellergericht
bekommt man sie heute auch mit Kartoffelsalat und Weißbrot. Nichts passt besser dazu als der Würzburger Silvaner.
Kleiner Exkurs im Namen und Auftrag der Meefischli: Der Main war schon immer ein fischreiches Gewässer, das den Menschen über sehr
viele Jahrhunderte hinweg nicht nur als Wasserstrasse, Wasserversorgung und Antriebskraft von z.B. Mühlen diente, sondern auch eine sehr
grundtraditionelle Nahrungsquelle und Lebensgrundlage der ‘Meefischer’ war. Zunehmende Kanalisierung, Schleusenregulierung und natürlich
das künstlich durch ganz Europa heute verbundene Netz der europäischen Flussschifffahrt haben sowohl zu ökologischen Problemen, als auch
zu einer Veränderung der Flussfauna geführt, denn neue Arten konnten in den Fluss einwandern, die da eigentlich gar nicht hingehörten. - Als
ich Ende der 1980er Jahre hier sozusagen selbst artenfremd einwanderte, war die Befürchtung konkret, dass es mit den 'Meefischli' bald
vorbei sei; die Umweltbelastung war groß, die Bestände gingen dramatisch zurück. Ich aß rasch bei nächster Gelegenheit welche, um mich
später an diese besondere Spezialität wenigstens noch erinnern zu können.
Heute kann man zumindest von einer gewissen Restauration sprechen. Das Bewusstsein um Ökologie hat wenigstens zu einer wieder deutlich
verbesserten Wasserqualität geführt, aber das Problem der sogenannten 'Fressfeinde' besteht fort, wenngleich es sich auch nicht so
dramatisch entwickelt hat, wie vor 25 Jahren ++ befürchtet.
Trotzdem: Den alten Main mit seiner Magie eines wahren Flussgottes, der über 1,5 Jahrtausende und mehr faszinierte wird es nicht mehr
geben. Das sollte uns allen etwas Demut und Lehren zu mehr Verantwortung aufgeben.
Es gibt noch etliche weitere Fischspezialitäten wie z.B. den Aal in Salbei als Wintergericht (nicht zugewanderter Räuber, sondern eher einer,
der von den gefrässigeren Einwanderern wie den Kormoranen verdrängt wird). Restaurants wie etwa die 'Schiffbäuerin' oder 'Stadt Mainz' sind
hier die Pfleger wichtiger Küchentraditionen.
VERSCHIEDENES - BEILAGEN - SONSTIGES
Nicht nur bestimmte Spezialitäten bringt die fränkische Küche hervor, sondern sie mischt sich praktisch in jeden Bereich der Ernährung seiner
Menschen noch einmal speziell und laut vernehmbar ein, so dass man wohl sagen kann, dass das Gemisch dieses doch sehr markanten
fränkischen Menschenschlages damit auch enträtselt sein dürfte. - Um das verbliebene Gemenge all dieser Besonderheiten ein wenig
abzukürzen, fasse ich mir die am wichtigsten erscheinenden und in Würzburg speziell vorkommenden Spezialitäten in einem
fachbereichsübergreifenden Abschnitt zusammen. Viel Freude und Genuss im Falle der Gelegenheit auch mit diesen fränkischen
Gaumenereignissen:
Gleichermaßen typisch in Würzburger Kneipen, Gasthäusern des Maindreiecks und Biergärten ist der sogenannte Gerupfte. Es handelt sich
um einen Camembert-Käse, der im fränkischen Wortsinne zu einer Masse zerupft und zusammen mit Paprikagewürz, Knoblauch, Salz, Pfeffer
etc. im Ganzen gewissermaßen umgestaltet wird. Serviert wird er dann mit Zwiebelringen, eingesteckten Salzstangen und Brezeln oder
Weißbrot zum Bestreichen. So ein 'Gerupfter' passt wirklich hervorragend zu vielen fränkischen Weinen und auch in die Federweißerzeit (der
noch gärende, junge Wein). In Bayern kennt man das vergleichbar unter dem Namen "Obatzter". - Ich habe mich immer gefragt, wo dieser
Gerupfte eigentlich herkommt und - obwohl es natürlich in das Reich der Spekulation fällt - kann ich es mir schlüssig nur mit der
napoleonischen Zeit und den Besetzungen der Region als damals gewissermassen einer Form des inneren Widerstandes erklären. Die feine
und in den Augen der Franken und Bayern sicher affektiert wirkende Käsekultur der Franzosen würde man symbolisch 'zerupfen'. Ob das so
gewesen sein könnte, weiss ich wirklich nicht und will ich auch gar nicht unterstellen. Aber wenn da etwas was dran sein sollte, dann wäre es
ebenso auch eine feine, kulinarische Ironie, dass das Ergebnis eben ausgezeichnet schmeckt und ganz zu Recht sehr beliebt ist. - Ich
jedenfalls erinnere gut, wie ich kurz nach meiner Ankunft in Würzburg dachte, dass diesen 'Gerupften' hoffentlich niemals einer meiner vielen
frz. Freunde zu Gesicht bekommen möge; es wäre seelisch doch einfach zu grausam ...
Bekannt, und in einem fränkischen Menü z.B. als warme Vorspeise sehr beliebt, ist die Fränkische Hochzeitssuppe. Es handelt sich um eine
würzige Fleischbrühe mit dreierlei Einlagen aus Mark-, Griesklößchen und sogenannten 'Schwimmerle', also frittierten Bällchen aus
Brandteig. - Es heißt, dass der Name vielleicht gar nichts mit einer Hochzeit zu tun hat, sondern einem Übersetzungsfehler aus dem
Italienischen entspringe. Dann wäre die Suppe aber auch eine Nachahmung, was ich zumindest so aufgrund der Überprüfung des Begriffes
'minestra maritata' nicht bestätigen kann.
Eine andere und wirklich sehr typisch fränkische Suppe ist die sogenannte Gretelsuppe, welche beim Kochen der Schlachtwürste als Brühe
entsteht. - Der Name hat eindeutig nichts mit der wackeren Gefährtin des Kaspar oder des Hänsel zu tun, sondern mehr mit den beim Kochen
immer mal wieder platzenden Würsten, deren Inhalte die Brühe eben 'vergreteln', wie man es auf fränkisch sagt.
Zu den typischen Beilagen der Region gehört der Fränkische Kloß. Er ist mitunter faustgroß und besteht im wesentlichen aus Kartoffelteig
und Brotwürfeln im Inneren, birgt jedoch dazwischen durchaus noch ein paar andere Geheimnisse. Mit dem Kloß bindet man die Bratensoße
auf dem Teller und bzgl. der Mahlzeit natürlich das Fettige und Deftige.
Auch die Weckklösse finden sich ganz typisch in der fränkischen Mahlzeit. Die bestehen aus 'alten' Brötchen, Milch, Ei, Zwiebelchen, Petersilie
u.s.w., sind meistens etwas kleiner geformt als der Kartoffelkloß und dafür oft nicht alleine.
Wenn man Klöße auf dem Tisch vorfindet, dann ist das weiße Dämpfkraut oder Blaukraut (Rotkohl) meist nicht weit. Die Franken lieben das
Krautgemüse als Beilage! Mit gebratenen Speckwürfelchen und Zwiebeln ist es für sich allein schon eine kleine Delikatesse und zudem echt
nahrhaft. - Da die Deutschen bei den Alliierten früher als 'Krautfresser' oder kurz 'Krauts' tituliert wurden, und ich in einer krautlosen Region
und Küche aufgewachsen bin, hat es für mich mit der Beziehung zu dieser Form des Beilagengemüses etwas gedauert. Heute sind wir aber die
besten Freunde.
Eine Variante aus dem Umland von Würzburg sind die sogenannten Krautwickel, die man anderenorts wohl auch Kohlroulade nennt. Dabei
handelt es sich um typische Hackfleisch-Rollen (Gemischtes Hack, Zwiebel, Salz, Pfeffer, Kümmel, Ei etc.), das - in Weißkrautblätter gewickelt
- angebraten und schliesslich in einer Gemüsebrühe gargezogen wird. - Mit Sicherheit kann man es wohl nie behaupten, aber die 'Krautwickel'
sollen tatsächlich originär aus dieser Gegend stammen.
Mainfranken ist Spargelland! - Neben der in Deutschland (in Frankreich beispielsweise wird es mit dem grünen Spargel ganz anders gemacht)
weit verbreiteten Verzehrweise mit Kochschinken, Pellkartoffeln und geschmolzener Butter, ist der Fränkische Spargelsalat im Suddressing
sehr beliebt. - Lecker; unbedingt einmal versuchen.
Mit dem Bratwurstbrät wird die 'Würzburger Bratwurst' gefüllt; man streicht es aber auch mit Zwiebeln, Petersilie etc. verstärkt zur Brotzeit
und anderen Gelegenheiten auf das besagte Brot. Die Rezepte sind im einzelnen wirklich gut gehütete Metzger-Geheimnisse, denn sie prägen
zusammen mit weiteren Produkten das Image und damit das Erfolgskapital des jeweiligen Unternehmens. - Hier in Würzburg spielt dies noch
immer eine große Rolle und vertraut man dem 'Mund-zu-Mund-Wissen' mehr als jeder Werbung.
Ebenfalls bei der Brotzeit, der Weinverkostung oder im Biergarten gibt's den Griefenschmalz mit Brot. Das ist zu Schmalz ausgelassener
Schweinespeck mit Zwiebeln, Apfelstückchen, Gewürzen und manchmal auch weiteren kreativen Zutaten darin. - Sie ahnen es schon,
besonders gut und auch nützlich, wenn Alkohol im Spiel ist.
Im Bereich der Süßspeisen, Deserts etc. sind die Franken nicht minder erfinderisch und es lässt sich die Vielfalt hier nicht im Ganzen
wiedergeben. Von daher wirklich nur kurze Hinweise auf ein paar der bekannteren Genüsse.
Natürlich sind hier die Kissinger zu nennen, ein Gebäck aus Plunderteig und wahlweise einer Füllung mit Aprikosenmarmelade oder - sehr
beliebt - Haselnusscreme. Keine direkte Würzburger Spezialität, aber immerhin unterfränkisch aus dem namensgebenden Kurort Bad
Kissingen.
Auch die meistens gefüllten Faschingskrapfen sind eine typische Spezialität - obgleich auch anderswo bekannt - mit einer eigenen, sehr
alten Tradition in der Region.
Ebenfalls ein Faschingsgebäck sind die sogenannten Ausgezogenen oder "Knieküchle", die ihre Namensgebung beim Betrachten der
Gebäckform rasch erklärt haben. Es handelt sich auch hier um ein mit Puderzucker überzogenes Hefeteiggebäck.
Überwiegend nur im Fränkischen bekannt ist dagegen der Schneeball, ein Mürbeteiggebäck mit Puderzucker, das aus Streifen heraus zu einer
Art lockeren Kugel geformt wird. Kein Marketinggag irgendeiner Bäckerei, sondern seit Jahrhunderten bekannt.
Viele Spezialitäten sind gleichermassen überregional wie auch lokal Tradition. Das muss ja gar kein Widerspruch sein, denn die Küche, die
Zutaten, das Entdecken von Geschmäckern und Köstlichkeiten befindet sich durch alle Zeiten schon auf Wanderschaft und Reisen. Nur so
entsteht die Vielfalt; hier macht man es auf die eine Weise und dort auf jene Art wiederum völlig anders. So heißt der 'Mausohrsalat'
(Feldsalat) aus meiner saarländischen Kindheit in Würzburg Schafmäulchen; die schwäbischen 'Schupfnudeln' werden im Fränkischen zu
Kartoffelstöpferle und so geht das weiter. - Ähnlich vielleicht, ja gewiss, aber überall dann doch wieder sehr verschieden und das ist eben
großartig.
Interessant ist für das Fränkische sicherlich auch, dass man in dieser Region jenseits des fränkischen Weingebietes, das sich im Wesentlichen
ja auf Unterfranken konzentriert in Mittel- und Oberfranken zusammen genommen die höchste Brauereidichte der Welt vorfindet,
nämlich trotz dem Brauereisterben in den 1970er und 1980er noch immer 270 an der Zahl. Man spricht deswegen auch von einem 'Wein-
und einem Bierfranken'. Neben den Großbrauereien wie 'Krombacher', 'Kulmbacher', 'Distelhäuser' oder auch 'Würzburger Hofbräu' etc.
sind dies überwiegend lokale und sogar kleine, sogenannte Hausbrauereien. - Selbst mitten in unserem weindurchsetzten Mainfranken ist die
Brauereidichte noch immer größer als anderswo; ... na ja manche Gegenden der Bayern einmal ausgenommen.
Nach dieser kurzen Spezialitäten-Führung jetzt aber schnell ran an den
Würzburger Speck ! - GUTEN APPETIT!
Mainfränkische Spezialitätenküche